FAQ

Die Antworten auf die vier wichtigsten Fragen, die im Zusammenhang mit Myelitis auftauchen – Art der Erkrankung – Ablauf – Diagnose- Akutbehandlung – haben wir für Sie hier zusammengestellt. Die Myelitis e.V. hat die Informationen auf diesen Internetseiten nach bestem Wissen zusammengestellt, empfiehlt aber keine der angegebenen Medikamente, Behandlungen oder Produkte. Die Angaben sind dazu gedacht, Sie zu informieren und ersetzen keine persönliche medizinische, psychologische oder rechtliche Beratung. Wenn Sie entsprechende Hilfe benötigen, sollten Sie eine individuelle Betreuung bei professionellen Stellen in Anspruch nehmen und jegliche erwähnte Medikamente und Behandlungen mit Ihrem Arzt prüfen. Alle Angaben auf diesen Internetseiten erfolgen ohne Gewähr für die Nutzung im Einzelfall.

Seltene Neuroimmunerkrankungen sind immunvermittelte Erkrankungen des zentralen Nervensystems (Gehirn, Rückenmark und Sehnerven). Das Immunsystem ist die Verteidigung des Körpers gegen Angreifer von außen, etwa gegen Viren und/oder Bakterien. Normalerweise sind die Zellen des Immunsystems fähig, einen infektiösen Eindringling vom eigenen Körper der Person zu unterscheiden. Manchmal kommt es jedoch vor, dass einige dieser Zellen "Fehler machen" und versehentlich ein eigenes Organ angreifen. Das wird als Autoimmunität bezeichnet. Ärzte und Pfleger verwenden manchmal das Wort "Entzündung", um dieses Ereignis zu beschreiben. Eine Entzündung bezieht sich auf Situationen, in denen Immunzellen in menschliches Gewebe eindringen. Spricht man z.B. von einer Entzündung des Rückenmarks, so sind Immunzellen in das Rückenmark eingedrungen. Eine Entzündung kann normal sein, etwa während einer Infektion, oder anormal, wie bei einer Autoimmunreaktion.

Die Neuroimmunerkrankungen, die Gegenstand der Arbeit der TMA sind, werden allesamt durch einen entzündlichen Anfall bedingt, der einen bestimmten Teil des zentralen Nervensystems trifft. Ist das Rückenmark betroffen, entsteht Transverse Myelitis (TM), ist der Sehnerv (Optikusnerv) betroffen, nennt man die Krankheit Optikusneuritis (ON). Bei akuter disseminierter Enzephalomyelitis (ADEM), MOG-Antikörper-vermittelten Erkrankungen (MOG-Ak-Erkrankung) und bei Erkrankungen aus dem Formenkreis der Neuromyelitis optica (NMOSD) sind verschiedene Organe nach bestimmten Mustern betroffen. Bei einigen Erkrankungen besteht ein Rückfallrisiko. Wenn das zentrale Nervensystem betroffen ist, können verschiedene Arten von Schäden entstehen. Die Verbindungen zwischen Gehirn und dem Rest des Körpers sind isoliert wie elektrische Leitungen. Während eines immun-vermittelten Angriffs auf das zentrale Nervensystem kann es zu einer Schädigung der Isolierung (Myelin) um die Leitung oder der Leitung selbst (Axon) kommen. Schädigt der entzündliche Anfall die Isolierung, so spricht man von Demyelinisierung, um den entstandenen Schaden zu bezeichnen.

Ist das Myelin oder das Axon einer Nervenzelle (Neuron) beschädigt, so kann das Neuron kein Signal übertragen. Die Symptome hängen davon ab, welche Axone betroffen sind. Handelt es sich etwa um eine Leitung, die visuelle Informationen vom Auge zum Gehirn transportiert (Optikusnerv), welche auf Grund einer Demyelinisierung die Signale nicht mehr korrekt ans Gehirn überträgt, so leidet die betroffene Person unter unscharfem Sehen oder Sehverlust (ON). Findet die Demyelinisierung in den Leitungen statt, die motorische Signale an die Beine senden, so leidet die betroffene Person unter Schwäche und Schwierigkeiten beim Gehen.

Über die Krankheitsmechanismen dieser Erkrankungen ist sehr wenig bekannt. Es wird angenommen, dass eine Person, bei der eine dieser seltenen Neuroimmunerkrankungen auftritt, mit großer Wahrscheinlichkeit eine genetische Veranlagung (Prädisposition) zur Autoimmunität aufweist und bestimmte Umweltfaktoren mit dieser Veranlagung

zusammenwirken, um die Erkrankung auszulösen. Die spezifische Genetik der einzelnen Erkrankungen ist nicht vollständig bekannt und die betreffenden Umweltfaktoren sind nicht eindeutig identifiziert. Bei einer Multiplen Sklerose (MS) wird eine Beziehung zu Vitamin D-Mangel und geringer Sonneneinstrahlung geprüft, für die anderen Neuroimmunkrankheiten wurden keine bestimmten Faktoren identifiziert. Es wird davon ausgegangen, dass die Immunreaktion auf eine virale, bakterielle oder fungale (Pilze) Infektion reagiert. Bei einer TM leidet eine erhebliche Zahl der Betroffenen unter grippeähnlichen Symptomen, unter einer Infektion der Atmungsorgane oder, bei Kindern, unter einer Infektion des Ohrs unmittelbar vor ihrem Anfall. Diese Immunreaktion könnte erklären, warum das Immunsystem in Gang kam. Sie erklärt allerdings nicht, warum das Immunsystem beginnt, "Fehler" zu machen und sich "Selbst" angreift. Hinzu kommt, dass bis heute niemand versteht, warum sich manche Menschen gut von einem Anfall erholen, andere aber gar nicht.

Das zentrale Nervensystem wird durch die Blut-Hirn-Schranke vor fremden Stoffen getrennt und geschützt. Damit das Immunsystem das zentrale Nervensystem an beliebiger Stelle angreifen kann, müssen Zellen des Immunsystems also zunächst diese Schranke überwinden. Im Fall dieser Erkrankungen tritt also nicht nur eine "Verwirrung" des Immunsystems auf, sondern es muss auch einen Weg finden, diese Schutzschranke zu überwinden, um zum Hirn, zum Rückenmark und/oder zu den Sehnerven zu gelangen. Über diese Mechanismen herrscht noch viel Unklarheit.

Jede dieser neuroimmunologischen Erkrankungen bleibt eine diagnostische Herausforderung. Nur für MOG-Ak und NMOSD liegen spezifische und definierte Marker vor. Die Diagnosekriterien für die anderen Erkrankungen sind weder eindeutig noch in der Medizin allgemein akzeptiert, d.h. für jede Regel scheint es etliche Ausnahmen zu geben. Die Beziehungen zwischen diesen Erkrankungen sind ebenfalls nicht zureichend erkannt (z.B. ist jede dieser Erkrankungen einzigartig oder sind manche von ihnen Varianten anderer Erkrankungen?) Für eine Diagnose jeder dieser Erkrankungen ist ein MRT nötig, mit oder ohne Kontrastmittel, es sollte eine Lumbalpunktion durchgeführt werden, Gehirnscans sind erforderlich um MS auszuschließen. Falls Verdacht auf NMOSD besteht (rezidivierende TM, ON, rezidivierende ON oder LETM) sollte ein NMO-IgG-Test und ein Test auf Anti-MOG durchgeführt werden.

Die einzige Behandlung gegen diese Erkrankungen in ihrer akuten oder frühen Phase besteht aus einer schnellstmöglichen Beruhigung des Immunsystems, bevor es Schaden anrichten kann. Diese Behandlungsformen müssen im Zusammenhang der korrekten Diagnose berücksichtigt werden und so schnell wie möglich verabreicht werden. Zeit ist von kritischer Bedeutung. Unglücklicherweise gibt es sehr wenig Forschung und praktisch keine wissenschaftlichen Nachweise darüber, welche Behandlung für welche Erkrankung am wirksamsten ist. Es ist wichtig, mit einem Arzt zusammenzuarbeiten, der ausreichend Erfahrung mit diesen Erkrankungen hat, da während der akuten Behandlung vorrangig oder ausschließlich klinisches Einschätzungsvermögen gefragt ist. Verfügt Ihr Arzt nicht über diese Erfahrung, so sollten Sie Ihren Arzt bitten, sich mit einem Arzt zu beraten, der darüber verfügt. Es gibt sehr wenige Klinikzentren mit Ärzten, die sich auf TM oder NMO spezialisiert haben (in den USA die University of Texas Southwestern, Johns Hopkins, die Mayo Clinic, die University of California San Francisco, in Großbritannien das Walton Centre in Liverpool), allerdings gibt es zahlreiche Zentren für Multiple Sklerose, die an bekannte Einrichtungen angeschlossen sind. Ein Spezialist aus einem dieser Zentren sollte herangezogen werden, da diese über Erfahrung mit demyelinisierenden Erkrankungen des zentralen Nervensystems verfügen. Zu den Akuttherapien, die auf häufigsten zur Behandlung eines entzündlichen Anfalls angewendet werden, gehören: hochdosierte intravenöse Steroide (Methylprednisolon), Plasmaaustausch (Plasmapherese oder PLEX), Immunglobulintherapie (IVIG) und Cyclophosphamid.

Wenn die Entzündung abklingt und der Patient medizinisch stabil ist, besteht die Anschlussbehandlung für eine Person, die einen entzündlichen Anfall des Rückenmarks erlitten hat (ADEM, MOG-Ak, NMOSD, MS oder TM) aus intensiver Rehabilitationstherapie. Klinische Zentren, die sich auf Schädigungen, Erkrankungen und Anfälle auf das Rückenmark konzentrieren, bieten umfassende Reha-Programme für Menschen, die wesentliche Beeinträchtigungen des Rückenmarks durch einen entzündlichen Anfall erlitten haben. Kinder und Erwachsene, bei denen erhebliche Muskelschwäche oder -lähmung aufgetreten ist, sollten an eine spezialisierte Reha-Einrichtung überwiesen werden, wo sie einem Programm energischer Physio- und Rehabilitationstherapie (im Gegensatz zu einer ausschließlichen Betonung des Selbständigkeitstrainings) unterzogen werden sollten.

ADEM und TM gelten in den meisten Fällen als monophasisch. Es ist wichtig, regelmäßige Termine mit dem Neurologen zu vereinbaren, um die eventuelle Entwicklung der Erkrankung zu verfolgen. Im Lauf der Zeit und in Abhängigkeit von den Symptomen kann eine jährliche Untersuchung für die meisten Patienten ausreichend sein. Die Symptome dieser Erkrankungen können sich im Verlauf der Zeit ändern und schwierig zu behandeln sein. Zusätzlich zu den Sprechstunden bei einem Neurologen, Allgemeinarzt oder Kinderarzt sollten andere Fachärzte konsultiert werden (Urologe, Psychiater, Orthopäde, Rehabilitationsarzt). Bei Menschen, die unter MOG-Ak, NMOSD, wiederkehrender TM oder ADEM leiden, besteht das Risiko wiederkehrender Anfälle; sie sollten sich daher genauer und häufiger untersuchen lassen. Patienten mit diesen Erkrankungen wird in der Regel eine Medikation verabreicht, die entweder die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens oder die Schwere eines eventuellen neuen Anfalls verringert. Die Durchführung einer definitiven Differentialdiagnose zu MS durch einen Arzt ist besonders wichtig. Die Therapien für MS (z.B. Avonex, Betaseron, Copaxone, Gilenya, Rebif und Tysabri) haben sich zur Behandlung von Menschen mit MOG-Ak, NMOSD oder wiederkehrender TM als nicht wirksam herausgestellt und können in bestimmten Fällen mehr Schaden als Nutzen anrichten. Meistens werden Menschen mit wiederkehrender TM, MOG-Ak oder NMOSD einer Behandlung mit Immunsuppressiva unterzogen. Welche Therapie für einen bestimmten Patienten geeignet ist, liegt ausschließlich in der klinischen Einschätzung (Erfahrung) des Arztes, in Verbindung mit den individuellen Bedürfnissen des Patienten.